Fundstück #15

Damit heizte Walter Röhrl die Piste von Aganil hinauf: Der Fiat 131 Abarth – Foto: Wikipedia

„Christian schnall di an!!! …i fahr dene a Zeit hin, dass sie hinterher alle ihre Rennfahrer-Lizenzen abgeben.“ In etwa so kündigte Walter Röhrl vor vierzig Jahren seinem Beifahrer einen wahren Höllenritt an – jedenfalls erzählt der zweifache Rallyeweltmeister seither immer wieder von jener Ansage an Christian Geistdörfer. In Röhrls gewagtem Spruch steckte in der Tat eine gehörige Portion Wut: Gerade stand im Rahmen der Rallye Portugal – dem dritten Wertungslauf der Rallyeweltmeisterschaft 1980 – die Königsprüfung an.

Bereits seit Tagen lieferte sich der „Lange“ aus Regensburg ein erbittertes Duell mit seinem Teamkollegen Markku Alén. Der Finne galt als „Mister-Portugal“, schon dreimal fuhr er dort als Sieger über die Zielrampe. Diesmal jedoch drohte ihm ausgerechnet Gefahr aus dem eigenen Team, denn Teamneuling Röhrl prügelte seinen Fiat 131 Abarth mindestens genauso rasant über Portugals Schotterpisten wie er selbst. Für Alén kaum zu verkraften – entsprechend energisch attackierte er den Bayern immer wieder.

Während der Prüfung „Arganil“ sollte die Vorentscheidung über den Gesamtsieg fallen – das war allen Beteiligten klar. Es war die Nacht auf Samstag, den 8. März 1980: Gegen Mitternacht waren die Berge der Serra do Açor in eine dichte Nebeldecke gehüllt, als die Piloten zum Start der anstehenden Zeitenjagd rollten. Arganil – das hieß immerhin:  42 Kilometer Geröll auf Pisten, die kaum breiter waren als die Autos selbst. Auf der einen Seite der Fels, auf der anderen die Böschung, oft genug mehr als einhundert Meter tief. Für manche Fahrer ohnehin schon eine Mutprobe, hier ein Rennfahrzeug im Grenzbereich zu bewegen – und dann noch bei Finsternis und Nebel.

Walter Röhrl jedoch hat sich genau diese Bedingungen gewünscht, wie er in einem Film für Servus TV klar stellte: In der Nacht zuvor, als er in seinem Hotelbett lag, sei die Strecke in seinem Kopf wie ein Film abgelaufen. Sogar eine Stoppuhr hätte er mitlaufen lassen. „Als ich meine Augen öffnete, war ich im Ziel“, ergänzte Röhrl. „Ich habe die Zeit angehalten und diese war fast dieselbe, die ich dann auch wirklich gefahren bin.“

Stichwort Zeit: In 35:14 Minuten und damit 4:59 Minuten schneller als der Rest peitschten Röhrl/Geistdörfer über die unübersichtlichen Passstraßen – wodurch ungläubiges Kopfschütteln sowohl bei der Konkurrenz, als auch bei den Offiziellen entstand. „Diese Zeit konnte einfach nicht stimmen“ – so war die allgemeine Einschätzung und erst nach mehreren Überprüfungen stand fest: Die bayerische Fiat-Besatzung deklassierte die Konkurrenten tatsächlich zu Statisten. Schon nach vier Kilometern war das direkt vorher gestartete Fahrzeug einkassiert, woraufhin Geistdörfer die Rücklichter außer Betrieb setzte – das wegweisende Auto für die Gegner wollte man nicht sein.

Überhaupt spielte hier wohl das Zusammenspiel zwischen Röhrl und seinem Co-Piloten die entscheidende Rolle: Sekundengenau betete Geistdörfer seinen akribisch erstellten Aufschrieb vor, wobei sich Röhrl sämtliche Kurve in sein fotografisches Gedächtnis hämmerte. Sogar die Augen hätte er schließen können, betonte der Regensburger später – so präzise wären Geistdörfers Ansagen gekommen. Logischerweise war in jener Nacht die Vorentscheidung in Sachen Gesamtsieg der Rallye Portugal gefallen: Röhrl/Geistdörfer siegten letztlich mit mehr als 14 Minuten Vorsprung vor Alén/Kivimäki und sammelten somit wertvolle Zähler für Ihren ersten Weltmeistertitel!!!

Text: Erhard Wallenäffer